Siegerehrung von Kultur Vor Ort für das Festival Feuerspuren.
vlnr: Meral Özkan-Doğmuş, Christiane Gartner (Geschäftsführerin Kultur Vor Ort e.V.), Julia Klein (künstlerische Leiterin), Dominika Pioskowik und Andrea Munjic

Der 2. Preis des LAFDK Bremen geht an die Feuerspuren

Am 13. Februar 2025 fand die feierliche Preisverleihung des Preises der freien darstellenden Künste 2024 in der Schaulust Bremen statt. Das internationale Erzählfestival FEUERSPUREN (www.feuerspuren.de) gewann dabei den zweiten Preis mit einem Preisgeld in der Höhe von 1000,00 €. 

Feierliche Preisverleihung in der Schwankhalle Bremen am 13.2.2025

Das Team von Kultur Vor Ort e.V.  bedankt sich ganz herzlich für die Würdigung durch den LAFDK Bremen.

Siegerehrung mit allen Preisträger:innen des Preises für Darstellende Künste Bremen 2024
Siegerehrung mit allen Preisträger:innen. Foto: Manja Herrmann

An dieser Stelle veröffentlichen wir die Laudatio von Meral Özkan-Doğmuş für den 2. Preis, der an die FEUERSPUREN ging:

Meral Özkan-Doğmuş hält die Laudiatio für den 2. Preis

Laudatio

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

als Studienrätin und als Klassenlehrerin eines 6. Jahrgangs der Neuen Oberschule Gröpelingen bin ich jeden Tag aufs Neue im engsten Kontakt mit meinen Schüler:innen. Sie berichten mir jeden Tag von ihren Erlebnissen, erzählen von Begegnungen, Festen, Enttäuschungen, aus ihren Familien und Freundeskreisen oder auch davon, wie ihnen etwas besonders gut geglückt ist oder worauf sie besonders stolz sind.

Wenn sie erzählen, dann leuchten oft ihre Augen voller Begeisterung, manchmal gibt es auch Tränen oder sie lächeln verschmitzt, manchmal wird in den Geschichten geflunkert, übertrieben, ausgeschmückt … aber immer treten wir mit Geschichten in Kontakt miteinander, teilen ein Stück unserer Leben miteinander.

Vielleicht ist der Mensch zum Menschen geworden, als er die Kulturtechnik des „Geschichten erzählen“ erfunden hat. Geschichten erzählen am Feuer, zu Hause, in der Fremde, Unterwegs, in der Moschee, im Waschsalon, beim Friseur … Geschichten erzählen ist eine beständige Vergewisserung darüber, dass wir nicht alleine sind und dass wir unsere Gegenwart mit anderen Menschen teilen können.

Das Projekt, das heute vom Landesverband Darstellende Künste prämiert wird, versteht es in besondere Weise, diese uralte Kulturtechnik des Erzählens zum Leuchten und zum Strahlen zu bringen … und das in einem Stadtteil, dem man diese Strahlkraft häufig nicht zutraut.

Ein ganzer Stadtteil kommt mit diesem Projekt Jahr für Jahr aufs Neue zusammen, um Geschichten zu erzählen und Geschichten zu hören. Die Erzählerinnen und Erzähler erschaffen mit Händen, Füssen und ihren funkelnden Augen und lebendigen Gesichtern und in vielen verschiedenen Sprachen für einen kurzen Moment eine ganze Welt voller Begegnungen, voller Menschlichkeit, voller Witz, Zuversicht, Mut und Liebe.

Mehr als 100 Erzähler:innen treten auf, auch viele Kinder- und Jugendgruppen.

Die meisten haben sich monatelang vorbereitet, wurden geschult, haben künstlerische Workshops besucht, haben gelernt, wie man in mehreren Sprachen gleichzeitig erzählt.

Jahr für Jahr entsteht mit diesem Projekt aufs Neue eine soziale Plastik, die ein wichtiger Baustein für den sozialen Zusammenhalt im Stadtteil ist, die Menschen stolz macht auf ihren Hood, auf ihre Nachbarschaft und die neue zauberhafte Verbindungen über sprachliche, soziale und kulturelle Grenzen hinweg schafft.

Einzigartig ist dieses Projekt aber auch deshalb, weil es die Kunst des gestischen Erzählens als eigenständige Kunstform einem großen überregionalen Publikum bekannt gemacht hat und damit das breite Spektrum der darstellenden Künste in Bremen um ein hochkarätiges, international beachtetes Format bereichert.

Ich selbst bin in diesem Stadtteil aufgewachsen und seit ich denken kann gibt es dieses Projekt. Es ist ein Teil dieses Stadtteils geworden. Das Festival, das wir heute auszeichnen, zeigt den Stadtteil so, wie er ist: Vielsprachig, inklusiv, polyglott und international.

In Zeiten, in denen die Demokratie zunehmend unter Druck gerät, in denen Armut zum Alltag vieler Menschen in unseren Städten wird, in denen die Klimakrise die Zukunft der jungen Menschen verdunkelt – in solchen Zeiten ist dieses Festival ein künstlerisches Manifest für die Kraft der Solidarität der Menschen im Quartier, egal, woher sie kommen, egal, welche Sprache sie sprechen oder welchen Aufenthaltstitel sie haben. Dieses Festival erzählt die Geschichte von Aufbruch, Mut und Kreativität – alles das, was wir brauchen und was die Kunst in uns wecken kann.

Der Preisträger des zweiten Preises ist DAS INTERNATIONALE ERZÄHLFESTIVAL FEUERSPUREN AUS GRÖPELINGEN VON KULTUR VOR ORT

Ich gratuliere ganz herzlich der künstlerischen Leitung, der Theaterpädagogin und Erzählerin Julia Klein, die das Projekt seit vielen Jahren kontinuierlich künstlerisch weiterentwickelt. Julia Klein arbeitet intensiv in internationalen Netzwerken der Erzählkunst mit, beschäftigt sich vor allem mit den Herausforderungen des mehrsprachigen Erzählens – eine besondere Facette der Gröpelinger Feuerspuren – und entwickelt Konzepte, die Erzählkunst gezielt in der Sprachförderung einzusetzen.

Und ich gratuliere dem ganzen Team von Kultur Vor Ort rund um Christiane Gartner und Andrea Munjic, die die Feuerspuren zu diesem einzigartigen urbanen Festival für Gröpelingen entwickelt haben, die die Straßen Gröpelingens so inszenieren, dass Kunst und Kultur die Menschen wieder beheimaten.

Meral Özkan-Doğmuş

 

Zum Hintergrund:

Der Preis der freien darstellenden Künste Bremen wird von den Mitgliedern des LAFDK Bremen verliehen und dient der Anerkennung von künstlerischem Schaffen im Bereich der freien darstellenden Künste im Land Bremen. Der Fokus liegt auf der Förderung kreativer Ausdrucksformen und der Sichtbarmachung herausragender Projekte, z.B. der Sparten Tanz, Theater, Performance, zeitgenössischer Zirkus oder Figurentheater, die kulturelle Relevanz besitzen und gesellschaftliche Diskurse eröffnen.

Die Preisverleihung am 13.02.2025 würdigt die Vielfalt und Qualität künstlerischer Arbeiten der freien darstellenden Künste in Bremen. Ausgezeichnet wurden Produktionen oder Produktionserzeugnisse wie Bühnenbilder, Lichtdesigns und kreative Prozesse, die zum Diskurs in der freien Szene beitragen. Die ausgewählten Preisträger:innen erhalten jeweils ein Preisgeld von 1.500 EUR (1. Preis), 1.000 EUR (2. Preis) und 500 EUR (3. Preis): LAFDK Bremen