Christine Glenewinkel und Christian Ritschel

Über die Kunst der Kafferösterei und Stadtteilentwicklung am Fluss

Das Tourismusprogramm „Bremen am Fluss“ promotet Rundgänge durch die Stadtteile an der Weser und verweist auf die Verbindungen über den Fluss.

Andrea Munjic von Kultur Vor Ort trifft sich auf ein Gespräch über die Stadtteile am Fluss mit Christian Ritschel, Geschäftsführer des Lloyd Caffee und Kulturwissenschaftlerin Christine Glenewinkel, die im Lloyd Caffee Röstseminare und für das Hafenmuseum und Kultur Vor Ort Stadtrundgänge anbietet.

Andrea Munjic (AM):  Christian, die Stadtteile und Ortsteile wachsen rasant zusammen. Wenn wir am Anleger „Waterfront / Pier2“ stehen und auf die Weserfähre warten, sehen wir deutlich wie die Bebauung weiter voranschreitet und ganz aktuell auch die Entstehung des Strandparks „Waller Sand“. Die Überseestadt rückt rein optisch immer näher an Gröpelingen heran. Wie machen sich die Veränderungen bei Euch im Lloyd Caffee bemerkbar?

Christian Ritschel (CR): Hier direkt am Fabrikenufer merken wir von den Veränderungen in der Überseestadt nicht viel. Wir befinden uns mitten im Industriegebiet und die Hafenbetriebe geben den Ton an. Auswirkungen auf unsere Stammkundschaft hat die Wohnbebauung der Überseestadt zum Beispiel überhaupt nicht. Stammkundschaft ist Stammkundschaft, die entwickelt sich  nach und nach und auf anderen Wegen. Wir haben allerdings in den Sommermonaten wenn es schöner ist schon viel mehr „Sehleute“ hier als früher.  Es gibt viele Interessierte an den Entwicklungen in der Überseestadt, es steht ja auch immer wieder etwas darüber in der Zeitung. Diese kommen dann auch gerne hierher, um einen Zwischenstopp einzulegen. Oftmals sind das Fahrradfahrer. Das ist schon eine ganze Menge, die wir auf diesem Wege auch als Besucher gewinnen. Vor allem am Wochenende merken wir das. Es gibt an den Wochenenden hier auch eine ganz spezielle und schöne Stille, die Hafenbetriebe arbeiten dann nicht und es ist sehr friedlich.

AM: Ich höre, ihr habt Pläne, die Räume des Lloyd Caffee´s zu erweitern.

CR: Genau. Wir werden die Terrasse vergrößern und zeitgleich sanieren. Außerdem möchten wir den Laubengang und den Weg zum Marmorsaal verglasen und ansprechender gestalten.

AM: Christine, du bietest montags Kaffeeröstseminare an. Was vermittelst du an die Gäste?

Christine Glenewinkel (CG):  Die Kaffeeseminare mache ich jetzt seit drei Jahren und sie machen immer noch großen Spaß! Die Gäste erfahren etwas zur wichtigen Historie des HAG-Geländes, dann folgt eine Präsentation, in der gezeigt wird, wo die Pflanze herkommt, wie sie unsere Kultur beeinflusst hat, wie sie vor Ort angebaut wird und was natürlich der Unterschied zwischen einem guten, fairen Kaffee und einem Industriekaffee ist. Zum Schluss wird einmal live geröstet, so dass die Gäste den Prozess miterleben können. Jede Menge Tipps zur eigenen Zubereitung und zur Aufbewahrung gibt es natürlich auch.

AM:  Ihr bietet doch auch noch andere Schulungen an? An wen richtet sich das Angebot und worum geht es dabei?

CR: Unsere Barrista-Schulungen richten sich an Menschen, die als Kinder gerne eine Dampfmaschine gehabt hätten, das aber nicht durften. Nein, Spaß beiseite. Wir bringen den Kunden bei, wie sie ihre oft hochwertigen Kaffeemaschinen richtig nutzen können, so dass sie einen wirklich leckeren Cappucino, Espresso oder Latte Macchiato hinbekommen, der in 95% besser schmeckt als in den Gastronomien. Dann haben wir noch eine sogenannte professionelle Kaffeeverkostung, das ist immer Freitag nachmitags. Dabei lernt man die unterschiedlichen Geschmäcker der unterschiedlichen Kaffeesorten zu erkennen und im besten Fall auch auseinanderzuhalten.

AM: Wir freuen uns sehr darüber, dass das Lloyd Caffee auch eine Vorverkaufsstelle für die 10er Karte für die Weserfähre ist. In diesem Jahr hat das Schiff Pusdorp schon über 4000 Fahrgäste übergesetzt. Und das obschon der Anleger in der Überseestadt zum „Landmarktower“ verlegt wurde wegen der Baustelle am Zollanleger und nicht so regelmäßig angefahren wird wie die Anleger „Waterfront / Pier2“ oder „Lankenau“. Aber das Pier2 ist vom Lloyd Caffee aus schon immer ein Katzensprung entfernt, vor allem mit dem Rad. Die Weserfähre fährt neuerdings immer freitags von 18:00-22:30 Uhr, auch samstags wurde die Zeit auf 22:30 Uhr ausgeweitet. Passt das gut zu den Öffnungszeiten des Lloyd Caffee´s?

CR: Das passt doch ganz hervorragend. Wir haben das Café täglich bis 17 Uhr geöffnet. Oft machen wir es am Wochenende dann von den Gästen abhängig, ob wir noch ein oder zwei Stunden länger auf haben. Niemand wird um 17 Uhr aufgefordert zu gehen. Das hat sich bewährt, so legen wir uns am Wochenende nicht fest, länger aufhaben zu müssen und sind dennoch flexibel, wenn Kundschaft da ist.

AM: Christine, du führst Interessierte zu Fuß und per Rad durch den Bremer Westen, etliche der Rundgänge entwickelst du auch selbst.  Dabei erfahren TeilnehmerInnen neben Geschichte und Perspektiven immer auch etwas darüber, was hinter den Kulissen passiert. Zum Beispiel welche Initiativen oder Betriebe zu welchen Themen arbeiten, was die Herausforderungen sind. Was interessiert deine Gäste am meisten?

CG: Generell sind die Gäste immer total erstaunt, was sich an den Stadtteilen alles hinsichtlich ihrer Geschichte und auch den aktuellen Entwicklungen ablesen lässt. Sobald es Leerstände oder Leerflächen gibt, ist das Interesse groß, was damit passiert. Oft entspinnen sich angeregte Diskussionen daraus. Familiengeschichten von wichtigen Betrieben, aber auch Erfahrungen von Zeitzeugen, die sich mit den eigenen decken, freuen die Gäste  besonders.

AM: Wie würdest du die Qualitäten von Gröpelingen im Vergleich zu Walle und Überseestadt sehen? Was findest du jeweils bemerkenswert, was lässt sich voneinander lernen und siehst du Synergieeffekte? 

CG:  Ich liebe Gröpelingen, weil mir die Straßenzüge, in denen Geschäfte sind, sofort das Gefühl von Urlaub vermitteln. Der hohe Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund bringt viele Qualitäten mit sich. Allein die tollen Spezialitäten, die es dort zu kaufen oder auf dem Stadtteilfest zu schmecken gibt, sind so authentisch nirgendwo anders zu finden. Die Bausubstanz ist in vielen Teilen viel schöner als in Walle.  Die Überseestadt beeinflusst Walle naturgemäß viel mehr, aber der frische Wind ist überall zu spüren. Der sichtbarste und schönste Effekt ist für mich, dass mit dem Skaterpark in der Überseestadt ein Anlaufpunkt für Menschen aus allen anliegenden Stadtteilen geschaffen wurde, der auch funktioniert. Daran sieht man auch, wie wichtig die Freiflächen sind, bzw. dass zur Stadtentwicklung viel mehr gehört, als funktionale Wohnblocks hinzusetzen. Es braucht Aufenthaltsqualität für alle Menschen.

CR: Jetzt wo Christine etwas über den frischen Wind in den Stadtteilen sagt, muss ich an unsere Anfänge in der Überseestadt denken. Als wir überlegten, hierher zu ziehen, wurde uns sonst was versprochen. Dabei war das alles gar nicht so doll von der Architektur her. Als ich dann aber den Marmorsaal erblickte, wusste ich „Hier muss wieder Kaffeeduft durch!“. Im Mai 2009 sind wir dann schließlich in die jetzigen Räume eingezogen. Und Ende Mai fand in der Überseestadt der Kirchtag mit 10.000 Menschen statt, alles gleich hier um die Ecke. Nicht eine einzige Person von diesen 10.000 hat sich hierher ins Café verirrt. Nicht eine einzige Person! Und das ist etwas, was sich inzwischen grundlegend geändert hat!

AM: Herzlichen Dank!


Lloyd Caffee

Fabrikenufer 115, 28217 Bremen

Öffnungszeiten Mo bis Fr 08.30 – 17.00 Uhr. Sa und So 11.00 – 17.00 Uhr

www.lloyd-caffee.de

Weserfähre Bremen

Fr 18:00 – 22:30 Uhr, Sa 10- 22:30 Uhr, So + feiertags 10 -18:30 Uhr

www.weserfähre-bremen.de

Bremen am Fluss

https://www.kultur-vor-ort.com/tourismus/bremen-am-fluss/

Aktuelles Programm 2018:  http://www.kultur-vor-ort.com/wp-content/uploads/2017/09/bremenamfluss-2018-web.pdf