Dieser Frage sind die Teilnehmenden am Mittwoch, den 29. Januar 2025 in der Gröpelinger Stadtbibliothek bei der Stadtteil-Konferenz „Klima-Armut-Gröpelingen“ auf den Grund gegangen. Nach verschiedenen thematischen Inputs wurden in einer intensiven Diskussion verschiedene Handlungsansätze herausgearbeitet: Gemeinsam Haltung zeigen, Räume für Gespräche schaffen und die Themen Klimakrise und Armutsentwicklung viel stärker in die Einrichtungen tragen – das ist essenziell für echte Veränderung. Institutionen sollen nicht nur diskutieren, sondern aktiv aufklären und politische Gespräche anregen.
Ein großer Fokus sollte dabei auf der Perspektive junger Menschen liegen. Die junge Generation wird am meisten unter der Klima- und Armutskrise zu leiden haben. Statt nur die Generation 60+ zu erreichen, müssen Kinder stärker in den Mittelpunkt rücken. Gerade Kinder und Jugendliche haben oft einen lösungsorientierten Blick auf Umwelt- und Klimafragen.
Viele Stadtteilakteure forderten, das Wissen über den Zusammenhang von Klimakrise und Armut zu erweitern. Schulen spielten eine Schlüsselrolle, um zum Beispiel Fake News von faktenbasierten Journalismus zu unterscheiden, Wissenschaft verständlich zu machen und Medienkompetenzen zu stärken. Auch müsse politisches Engagement erleichtert werden, Wahlaufklärungsveranstaltungen altersgerecht gestaltet und mehr Räume für politischen Austausch geschaffen werden.
Klimakrise am Beispiel Gröpelingen
Den erste Redebeitrag zur Eröffnung der Veranstaltung lieferte Lutz Liffers und beleuchtete, inwiefern die Klimakrise sich im Stadtteil Gröpelingen widerspiegelt. Mehr als 70 Teilnehmer:innen verschiedener Stadtteil-Initiativen aus und um Bremen setzten sich mit den verschiedenen Dimensionen dieses komplexen Problems auseinander und ergründeten, wie die Klimakrise den Stadtteil Gröpelingen und dessen Bewohner:innen direkt betrifft.
- Städtebau und Hitzeproblem: Eine dichte Bebauung und verhältnismäßig wenige Grünflächen sorgen dafür, dass Gröpelingen unter extremen Temperaturen und Starkregen leiden wird. Diese Belastungen sind vor allem hohe gesundheitliche Risiken für die Bewohner:innen.
- Steigende Kosten, keine Entlastung: Wer weniger hat, gibt prozentual mehr Geld für Lebensmitteln, Energie, Mieten aus. Klimabedingte Preissteigerungen treffen deshalb Haushalte mit niedrigem Einkommen mit unmittelbarer Wucht und können kaum abgefedert werden.
- Keine politische Lobby: Gröpelingen findet kaum Gehör in der Politik – es gibt wenig Lösungen, häufig nur Schlagzeilen. Rechte Populisten versuchen, die Klimakrise zu leugnen – und das geht auf Kosten derjenigen, die über wenig Einkommen verfügen.
Kurz: Die, die am wenigsten haben, tragen am wenigsten zur Klimakrise bei – zahlen trotzdem den höchsten Preis. Es braucht soziale Klimagerechtigkeit und echten politischen Austausch.
Klimadebatte vielfältiger gestalten
Peter Gerhard vom denkhausbremen betonte im zweiten Redebeitrag des Tages: Die Klimadebatte ist oft einseitig. Sie wird von Menschen geführt, die privilegierter sind – während ärmere Stadtteile wenig Gehör finden.
Klimabewegungen wie „Fridays for Future“ sind laut, aber sie repräsentieren nur einen Teil der Jugend. Der Austausch mit Stadtteilen kann helfen, einen Perspektivwechsel zu erzielen, denn Klima und soziale Gerechtigkeit gehören zusammen.
Zum Beispiel belasten steigende Verbrauchssteuern Menschen mit weniger Einkommen stärker oder Subventionen fließen häufig in die falsche Richtung, sodass nicht die davon profitieren, die es am dringendsten brauchen.
Sozial gerechte Klimapolitik kann deshalb nur gelingen, wenn durch kluge Ordnungspolitik die Weichen für eine klimaneutrale Stadt gestellt werden (z.B. kostenloser ÖPNV, Verbot von Inlandsflügen wie in Frankreich, Tempo 130 etc.) – und nicht durch eine ungerechte CO2-Besteuerung.
Klimakrise und Migration
Die Klimakrise ist nicht nur eine Umweltfrage – sie beeinflusst unser Leben, unsere Gesellschaften und unsere Zukunft. Das Projekt KlimaGesichter der Deutschen Klimastiftung gibt Menschen eine Stimme, die die Auswirkungen des Klimawandels in ihren Herkunftsländern und in Arrival Cities wie Gröpelingen erleben. Stellvertretend waren Yara Behrens & Mahyar Abdollahpour vor Ort und haben über das Projekt und ihre Geschichte erzählt.
Mahyars Geschichte aus dem Iran: Der Iran ist ein Land extremer Kontraste – von schneebedeckten Bergen bis hin zu 50°C heißen Wüstenregionen. Mahyar erlebte diese Temperaturunterschiede hautnah, als seine Familie vom Norden in den Süden zog. Dort wurde das Überleben zur Herausforderung: Motorrad fahren ohne Helm, weil es sich sonst anfühle wie in einer Mikrowelle oder gesundheitliche Probleme wie Nasenbluten und Kopfschmerzen trotz Klimaanlage.
Gleichzeitig kämpft der Iran mit massiver Umweltzerstörung: Wasserknappheit, Bodensenkungen und zerstörte Ökosysteme bedrohen das Leben von Millionen Menschen. Proteste gegen die Wasserkrise werden unterdrückt.
Yara Berehns klärt anschließend auf, dass die Klimakrise nicht alle gleich trifft. Besonders ärmere Bevölkerungen leben oft in Gebieten, die von Überschwemmungen, Hitze oder Wasserknappheit betroffen sind. Menschen fliehen aufgrund von Klimaextremen dreimal häufiger als vor Krieg. Doch sind klimabedingte Katastrophen kein anerkannter Asylgrund und die meisten Klimamigrationen finden innerhalb der Länder statt, häufig mit extrem negativen Folgen für die betroffenen Länder.
Ziel der KlimaGesichter ist es, Geschichten von Betroffenen sichtbar zu machen und das Klima-Bewusstsein zu stärken. Eine Veranstaltungs-Empfehlung: Face the Climate Festival am 21. Juni im Irgendwo – ein Tag voller Vorträge, Theaterstücke und verschiedene Perspektiven auf die Klimakrise. Denn Zuhören und Verstehen ist ein erster Schritt für dringend benötigtes klimapolitisches Engagement.
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmer: innen für ihr zahlreiches Erscheinen und die vielen tollen Anregung, die wir gemeinsam sammeln konnten!
Die Veranstaltung entstand durch Kooperation von Kultur Vor Ort, der Stadtbibliothek Gröpelingen und der Volkshochschule West. Gefördert wurde die Veranstaltung durch WiN – Wohnen in Nachbarschaften.