9. – 30. Nov 2024: Gröpelinger Tage gegen Antisemitismus, Ausgrenzung und Rassismus

Nie wieder ist jetzt

In der Nacht vom 6. auf den 7. Oktober 2024 wurden in der Stadt Zeitz im Burgenlandkreis zehn Stolpersteine aus öffentlichen Gehsteigen gerissen und gestohlen. Die Stolpersteine erinnerten an jüdische Bürger:innen von Zeitz, die im Nationalsozialismus ermordet worden waren. Nach einem Aufruf des Landrates spendeten über 500 Bürger:innen Geld, um die Steine neu verlegen zu lassen.

In Neubrandenburg wehte vor dem kleinen Bahnhof eine Regenbogenflagge – Symbol für eine inklusive, weltoffene und vielfältige Gesellschaft. Unbekannte rissen die Flagge wiederholt ab und hissten stattdessen eine Hakenkreuzflagge. Das nahm der Stadtrat zum Anlass, mit Stimmen von BSW und AFD das Hissen der Regenbogenflagge zu verbieten. Nach Anfeindungen, Drohungen und Beleidigungen trat der offen schwul lebende Bürgermeister von Neubrandenburg zurück.

Kein Tag vergeht derzeit in Deutschland ohne Angriffe auf die offene demokratische Gesellschaft. Hetze, Beleidigungen und Lügen werden in Parlamenten und im öffentlichen Diskurs immer alltäglicher. Im Netz toben sich Antisemitismus und Rassismus immer ungehemmter aus, angefeuert von Lügen und gezielten Falschmeldungen.  (siehe: CORRECTIV.Faktencheck)

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem Beginn des Krieges im Gazastreifen nehmen auch antisemitische Angriffe rasant zu. Juden und Jüdinnen werden in Deutschland auf offener Straße beleidigt oder angegriffen oder als Mörder denunziert. Synagogen, jüdische Restaurants oder Geschäfte sind Ziel von Zerstörungen oder sogar Brandanschlägen. Die Liste antisemitischer Gewalt wird immer länger.  (siehe: Liste von antisemitischen Anschlägen und Angriffen im deutschsprachigen Raum nach 1945 – Wikipedia)   

Novemberpogrome 1938: Die Wende zum Völkermord

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden mehr als 1000 Synagogen in Deutschland zerstört und tausende jüdische Geschäfte verwüstet. Bei diesem nächtlichen Pogrom wurden 400 Jüdinnen und Juden ermordet.

Die Reichspogromnacht markiert den Übergang von der Diskriminierung und Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung hin zur offenen Verfolgung, Deportation und schließlich dem industriell betriebenen Völkermord an mehr als 6 Millionen Juden und Jüdinnen. Auch viele Millionen anderer ausgegrenzter Gruppen wurden verfolgt und ermordet: Menschen mit geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen, homosexuelle Menschen, Sinti und Sintizze, Roma und Romnja, politische Gegner und Zeugen Jehovas.

Stolpern gegen die Gleichgültigkeit

Jeden Tag treffen wir fast überall in Bremen auf die goldgelb leuchtenden Stolpersteine. Die in den Boden eingelassenen Messingtafeln erinnern an alle Opfer des NS-Regimes jeweils vor dem Haus, in dem die Opfer vor ihrer Verschleppung zuletzt gewohnt haben.

Mittlerweile sind die Stolpersteine, eine Idee des bildenden Künstlers Gunter Demnig, das größte dezentrale Mahnmal der Welt und sie sind längst nicht mehr nur in Deutschland zu finden: In 25 europäischen Ländern wurden sie bis heute verlegt. Allein in Bremen gibt es mehr als 750 Stolpersteine. Die Steine geben den häufig vergessenen Opfern wieder einen Namen, nennen Geburts- und Todestag und die Daten ihrer Deportation. Auf der Website www.stolpersteine-bremen.de finden sich ausführliche Informationen zu allen Personen.   

Die Stolpersteine erinnern nicht nur an die Opfer der NS-Gewalt, sondern auch daran, dass Nachbarn und Nachbarinnen, Kollegen und Kolleginnen fast immer weggeschaut haben, wenn Menschen verhaftet, verschleppt, deportiert wurden. Sie erinnern daran, dass es dem überwiegenden Teil der damaligen „Mehrheitsgesellschaft“ schlicht egal war, was mit ihren Mitbürgern geschah.

Wenn wir in den Tagen vor dem 9. November die Stolpersteine in Gröpelingen und Oslebshausen reinigen, dann ist das eine Aktion gegen das Vergessen. Die Messingsteine sollen wieder strahlen und glitzern – damit wir ins Stolpern kommen gegen die Gleichgültigkeit.  

 

Die Aktionstage werden veranstaltet vom Beirat Gröpelingen und dem VVN in Zusammenarbeit mit dem Martinsclub Bremen, dem QBZ Morgenland, Moves gUG und Kultur Vor Ort e.V..

Gröpelinger Tage gegen Antisemitismus, Ausgrenzung und Rassismus.

Die Veranstaltungen 2024

 

Freitag, 8. November, ab 17 Uhr, überall in Gröpelingen

Stolpersteine putzen

Am Vorabend zum Gedenktag an die Reichspogromnacht rufen wir auf, die Stolpersteine in Gröpelingen zu putzen. Bildet am besten kleine Gruppen, nutzt die Gelegenheit, mit Passanten und Passantinnen, Nachbarinnen und Bürgern zu sprechen, zu diskutieren.

Bitte die empfindliche Messingoberfläche nicht mit Stahlbürsten verkratzen. Mit einem weichen Küchenschwamm und Metall- oder Messingputzmittel lassen sich die Steine gut reinigen.

  1. Messing-Putzmittel auf den Schwamm geben
  2. Mit dem Schwamm Messingplatte einreiben, eine Minute einwirken lassen.
  3. Mit einem feuchten Schwamm Stein polieren.

Samstag, 9. Nov., 11:00 Uhr

Vor dem ehemaligen jüdischen Altenheim an der Gröpelinger Heerstraße 167

Mahnwache zum Gedenken an die Reichspogromnacht

Es sprechen für den Beirat Gröpelingen Cornelia Wiedemeyer, Leiterin des Ortsamts West, für die VVN BdA Bremen Ulrich Stuwe. Musikalische Begleitung: Ortrud Staude, Akkordeon

 

Samstag, 9. Nov., 16:30 Uhr

Quartierszentrum BeiUns Martinsclub Bremen, Breitenbachhof 6

Gemeinsam gedenken

Zusammen legen wir Kerzen und Blumen an den Stolperstein im Breitenbachhof 6. Damit erinnern wir an die Person, die hier in direkter Nachbarschaft lebte. Gemeinsam machen wir danach einen Spaziergang durch das Quartier und besuchen weitere Stolpersteine.

Martinsclub Bremen

 

Sonntag, 10. November, 15:00 Uhr & 15:50 Uhr

Gröpelinger Biblitotheksplatz

Die Partisanin Marta versteckt einen jüdischen Freund

Marta Heuer ist 17, als die Wehrmacht in Warschau einfällt und das Paris des Ostens zu einem der grausamsten Schauplätze der Vernichtung der Juden macht. Mit ihren fünf jüdischen Freunden heckt sie, bis an die Zähne mit Angst bewaffnet, einen gefährlichen Plan aus. Am Ende des Krieges muss sie selbst fliehen und strandet im Feierabendweg in Gröpelingen, wo niemand ahnt, dass ihre Nachbarin eine Gerechte unter den Völkern ist.

Heute ist eine Straße in Gröpelingen nach ihr benannt.

Audiowalk während des Feuerspurenfestivals von Kultur Vor Ort mit Lutz Liffers

 

Donnerstag, 14. November, 14:00 bis 17:30 Uhr

QBZ Morgenland, Morgenlandstraße 43

Politische Bildung in Zeiten von Flucht und Krieg: Das Berliner Projekt „kiez-story“

Werkstattgespräch

Politische Bildung ist wichtiger denn je, sind doch viele Gröpelinger:innen von parlamentarischer Mitbestimmung ausgeschlossen. Gleichzeitig erleben und beschäftigen junge Menschen in Gröpelingen die internationalen Krisen und Kriege, das Erstarken rechtsextremer Ideologien in Deutschland, die Zunahme von Rassismus im Alltag. Wie gelingt es, gut und auf Augenhöhe mit Jugendlichen über ihre politischen, lebensweltlichen, identitätsstiftenden Fragen, Anliegen und Erfahrungen zu diskutieren?

Im Workshop wird das Modellprojekt kiez:story vorgestellt, in dem sich Jugendliche auf Spurensuche in Familie und Quartier machen. Es werden Ansätze und konkrete Methoden vorgestellt, die in Schulen und Jugendeinrichtungen erprobt wurden.

Referent: Pierre Asisi ist wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Schwerpunkt auf historische politische Bildung und multidirektionales Erinnern im Berliner Büro von ufuq.de.

Eingeladen sind interessierte Fachkräfte wie GuP- und Politik-Lehrkräfte, SV-Lehrkräfte, Pädagog:innen der offenen Jugendarbeit und außerschulischen politischen Bildung.

Anmeldung bis 8. November an: frauke.koetter@schulverwaltung.bremen.de

 

Freitag, 22. November, 18.00 bis 21.00 Uhr

QBZ Morgenland, Morgenlandstraße 43

Ausstellungseröffnung: Was bleibt? Erinnern, um die Zukunft zu gestalten

Die mobile Installation „Was bleibt?“ zeigt neue digitale Formen und Möglichkeiten des Erinnerns an NS-Unrecht und die Nachkriegszeit. Im Mittelpunkt stehen mehrgenerationale ost- und westdeutsche Familienbiografien unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkünfte. Die Besucher:innen haben die Möglichkeit in drei „Erinnerungsräumen“ multiperspektivisch aufbereiteten Familiengeschichten zu begegnen und eigene familienbiografische Erinnerungen und Geschichten zu teilen.

Ausstellung 23.11. – 30.11.2024, Mo-Fr 12-18 Uhr, Sa+So, 10-16 Uhr

Ein Projekt von Moves gUG