Viele sind gekommen an diesem regenverhangenen Novembertag. Heute, am 23.11.2023 soll der kleine neue Spielplatz an der Brombergerstraße einen Namen bekommen: Mustafa-Karabacak-Platz. Zum ersten Mal wird in Bremen ein türkischer Arbeitsimmigrant auf diese Weise öffentlich geehrt.
1965 kam Mustafa Karabacak nach Bremen, wohnte in Gröpelingen und arbeitete auf den Stahlwerken. Wie alle Arbeitsimmigranten wurde er da eingesetzt, wo es besonders gefährlich oder kräftezehrend war. Für die deutschen Kollegen fühlte sich in den 1960/70ern die Einwanderung türkischer Arbeiter wie ein sozialer Aufstieg an: Denn fortan waren die deutschen Malocher von diesen besonders unbeliebten Arbeiten befreit. Die Soziologie hat dafür ein schönes Wort: Unterschichtung.
Mustafa hatte nicht vor, „Ganz unten“* den duldsamen gefügigen Arbeitsmigranten zu spielen. Er mischte sich ein, er unterstützte Kollegen – deutsche und türkische gleichermaßen – er half bei persönlichen Problemen. Bald schon war er Vorarbeiter und im Stahlwerk bekannt.
Als 1972 das Betriebsverfassungsgesetz novelliert wurde und damit Arbeiter ohne deutschen Pass das Recht hatten, ihren Betriebsrat zu wählen und sich selbst zur Wahl zu stellen, nutzte Mustafa die Chance: Er wurde in Bremen der erste türkische Betriebsrat.
Aber er warnte die türkische Community immer davor, sich zu isolieren. „Lernt Deutsch, engagiert Euch hier“ war sein Motto. Betriebsratslisten mit ausschließlich türkischen Kandidaten oder gesonderte türkische Betriebsversammlungen lehnte er ab, seine türkisch-muslimischen Wurzeln waren ihm dennoch wichtig.
Viele Jahre gestaltete er als Vorstand die Arbeit der Mevlana Moschee, die sich anders als viele andere Moscheen als selbstverständlicher Teil des Stadtteils begriff. Ob Internationales Erzählfestival Feuerspuren, Friedensgebet, Gedenken an die Reichpogromnacht oder Gröpelinger Sommerfest: Die Mevlana Moschee war und ist ein Teamplayer im Stadtteil. Eine Tradition, die von Mustafa´s Tochter Halime Cengiz und ihrem Mann Ali weiter intensiviert und fortgeführt wurde.
Halime Cengiz war es auch, die an diesem Novembertag für die ganze Familie Karabacak das Wort ergriff: „Wir sind alle mächtig stolz darauf, dass dieser Platz nach unserem Vater benannt wird. Und wir sind stolz auf unserem Vater. Aber auch bei meinem Vater Mustafa war es so, wie bei vielen Männern, die in ihrem Leben viel bewegten: Hinter jedem erfolgreichen Mann stand eine starke Frau. Und das war meine Mutter. Sie hat ihm den Rücken freigehalten. Sie hat es ermöglicht, dass mein Vater so viel bewegen konnte.“
*In seinem Buch „Ganz unten“ (1985) schildert Günter Wallraff Ausbeutung, Ausgrenzung, Hass und Rassismus, den er als „türkischer Arbeiter“ erlebt. Unter dem falschen Namen Ali Sigirlioğlu und mit stereotypen Schnäuzer und schwarzen Haaren arbeitet er als vermeintlicher Türke in verschiedenen Betrieben und erlebt Menschenrechtsverletzungen und Ausländerfeindlichkeit in den 1980er Jahren. Wallraff schreibt im Vorwort zu seinem Buch, für das er ab März 1983 zwei Jahre lang recherchierte: „Sicher, ich war nicht wirklich ein Türke … Ich weiß immer noch nicht, wie ein Ausländer die täglichen Demütigungen, die Feindseligkeiten und den Hass verarbeitet. Aber ich weiß jetzt, was er zu ertragen hat und wie weit die Menschenverachtung in diesem Land gehen kann.“