Aber was wirklich geil wäre,…

Die Themen der Nachbar:innen in einem lyrischem Werk

Poser, Straßenbahn, Autorennen, Wassertaxen…

Für das Sommerfest „Zu Tisch“ wurde ein Künstler  beauftragt die Themen der Nachbarschaft lyrisch aufzuarbeiten. Simeon Buß begleitete Nachbar:innen einige Wochen zuvor bei einem Quartiersspaziergang zum Thema Mobilität. Für das Sommerfest hat Simeon, Moderator, Kabarettist und Poetry Slammer ein Gedicht verfasst, das er sowohl zur Eröffnung vorgetragen hat, als auch im Rahmenprogramm des Sommerfestes.

Hier der Text von Simeon Buß zum anhören, weiter unten zum lesen und als PDF: Aber was wirklich nice wär…

Simeon Buß „Was wirklich nice wäre, wär ein Bus der Kreis fährt“

Aber was wirklich geil wär, wär ein Bus der im Kreis fährt…
Wenn man in Bremn,
mit der Linie 10
bis zum Hansator fährt,
um dort nen Bus zu nehm
auf dem 26 oder 28 stehn,
dann kann man sie sehen:
Geplant und vermessen,
mit riesigen Pflöcken,
Architektur zum Vergessen,
die Häusern in Blöcken,
allesamt vier Stock hoch
mit banaler Fassade,
die Straßen stringent,
und alle ganz gerade,
und dennoch viel grün
und am Fluss gelegen,
fast wie auf dem Land,
nicht nur der Anfahrt wegen…
– dort wo man Sonntags eine Anbindung
wie in Lübberstedt hat,
liegt die Überseestadt.
in all ihrer Pracht.
und kommt man abends um acht,
wird man Zeuge eines Kampfes,
episch, wie Tag gegen Nacht,
wie Siegfried gegen Drachen,
Achilles gegen Hektor,
Symptom gegen Ursachen,
wie Autor gegen Lektor,
Ein Duell so episch wie Mario gegen Bowser,
heißt hier: Anwohner vs Poser.
Autos, finanziert durch die Gunst väterlicher Sponsoren,
mit blitzenden, donnernden, aufgemotzten Motoren,
darin sitzend, besonders dumm glotzend Junioren,
die die schwitzenden Füße auf das Gaspedal bohren,
Wrumm Wrumm – ein Genuss für die Ohren.
Ihre Karrosserien sind ein Teil der Natur,
es ist fast Blasphemie, fragt man auch nur,
ob das die Chemie, der Stadtteilkultur,
nicht so ein wenig aus dem wrruuuuuuuuuum Rhythmus bringt.
so wie mich, der jedes Mal ein Stück hoch springt,
wenn so ein Typ sich fragt wie wohl sein Motor klingt.
und dann auf der Suche nach ner Gangster Braut,
aus dem Fenster schaut,
„Hej Schnecke, nah, is n richtig geiler Schlitten; wa?
jede Wette, huh, du hast richtig geile Augen, hä?
sag, Nette, hm, bist du heute schon geritten,?
guck dir nur meine Karre an, du weißt ich hab gelitten.
kommen wir machen eine Spritztour, hah!
einmal um die Promenade –
ach jetzt guck doch nicht so böse,
war ein Witz, nur is halt schade,
ist ja nich so dass ich jedes Chick
in mein Auto einlade,…“
damn kurbelt er das Fenster hoch,
streicht sich durch die Pomenade,
fährt zwanzig Meter weiter
und wiederholt dort die Scharade.
Währenddessen versucht Anne
mit dem Fahrrad, leicht beklommen,
auf dem bisschen Fahrradstreifen
am Poser vorbeizukommen,
er hat ihr gerade beim Posen
schon die Vorfahrt weggenommen,
vermutlich, denkt sie leise,
besser wär ich wär geschwommen,
als seine Tür sich öffnet
und whaaaaammms, Anne voll umhaut,
Tür wieder zu, die Reifen quietschen,
ohne dass der Typ sich umschaut,
Anne liegt da leicht verrengt,
nein, das sieht wirklich nicht gesund aus,
zum Glück kommt Theodor vorbei,
der wollt eigntlich nur mit dem Hund raus,
doch rollt jetzt zu der Frau,
sein Hund guckt, ob sie Mund zu Mund braucht,
er zieht ihn weg und schimpft,
Blut läuft aus ihrem Mund aus.
Da Theo Geist gegeben war,
obwohl er eigentlich echt geschockt war,
ruft er in Geistegegenwart:
„Ein Arzt! Ein Arzt! Wir brauchen einen Doktor.“
Und tatsächlich kommt sofort ein Mann,
makellos gekleidet:
„Kann gut sein, dass ich helfen kann,
ich bin schließlich vereidet
Dr. Hieronimus Quack, SPD!“
Der Mann streckt seine Hand aus,
das sieht Theo, der sie schüttelt,
eigentlich viel zu entspannt aus,
er fragt sich, ob der Typ
was gegen sein(en) Verstand raucht,
da beugt dieser sich nieder, sagt:
„sieht aus, als ob die nen Verband braucht.“
und Theo will schon aufatmen,
als der Doktor in den Stand rauscht,
„eh, Verbund wollt ich sagen!“
und hinter ihm taucht ne SponsorenWand auf.
„Ich weiß ja nicht ob sie das interessiert,
aber mit guten ÖPNV wär das nicht passiert –
Und wo wir gerade davon reden,
und jetzt hörnse mir mal zu,
ich erzähle das nicht jedem,
doch das lässt mir keine Ruh,
die Qualität des Lebens,
ist hier im Stadteil in Verruf,
deshalb ist es mein Bestreben,
etwas dagegen zu tun.
Darum sondieren wir Optionen,
was ist machbar und was nich,
welches Mittel kann sich lohnen,
das den Erwartungen entspricht,
und ich weiß ja leider auch, dass viele
Vorschläge nicht geil waren,
wie der Taxen zu nehm,
oder das Ding mit der Seilbahn,
doch es gibt neue Projekte,
für die wir uns ereifern,
und dafür nehm wir uns Zeit,
weil wir kein Geld, aber viel Zeit haben.“
„Die Frau braucht aber jetzt Hilfe,“
Theo versucht zu unterbrechen,
doch Dr. Quack hat Argumente,
und er will damit bestechen:
„Schauen Sie,
nachdem wir vom
Plappern über die Stadtbahn,
wieder nichts erreicht hatten
und mental ziemlich platt waren,
zehntausende Euros
für Experten berappt haben,
obwohl die städtischen Mittel
ohnehin schon echt knapp warn,
kam uns der Einfall,
so binden wir euch an die Stadt an:
wir fragen bei der Bundeswehr,
oder irgendeinem andren Heer,
ob es wohl bundes-möglich-wäre,
ein Unterseeboot auszuleihen,
um das quasi als Fähre,
in den Verkehr hier einzureihen, hm?
das wirbt für sich sogar selbst,
ist quasi Reklame
eine in sich geschlossene
Werbemaßnahme
denn wir nennen das ganze,
für jeden der bis hier drüber stehn hat,
mit dem Unterseeboot
in die Überseestadt.
Na, was sagen se?“
Theo sammelt seinen Mut,
und sagt, obwohl ihm schon der Schweiß perlt:
„Das klingt ja alles schön und gut
aber was wirklich nice wär
wär ein Bus, der im Kreis fährt.
ich wär ja begeistert,
käm ich zum Gleis, fährt
ein Bus die paar Meter,
ist ein Uboot n Scheiß wert.
und Meist-er,
wenn dann Busse
mit nem großen Eingang,
ich kann nicht mehr zählen,
wie oft ich nicht reinkam,
weil mein Rolli zu breit war
oder die Rampen zu steil waren,
für mich keine Zeit war,
weil das kostet ja Zeit, Mann.
und ich will echt nicht dass sie denken,
weil sie sich so ereifern,
ich wolle ablenken:
doch die Frau braucht jetzt Beistand!“
Dr. Quack hüstelt vernehmlich
und reagiert auf den Einwand:
„Ah ich seh schon, dass ich Zeit verschwende,
Kommse gut heim, dann!“
und lässt Theo damit stehen,
in Gedanken an Vernetzung,
derweil erliegt Anne
ihrer inneren Verletzung.
und als man gerade dabei ist
das als das Ende zu begreifen,
kommt ein Poser um die Ecke,
lässt den Motor aufkreischen,
hält mit quietschenden Reifen,
um nen Blick zu erhaischen,
und sagt; wobei ich die Wahrheit hier strecke:
„Ey… Schnecke!
Jetzt ° Hier Quartiersentwicklung
Kommodore-Johnsen-Blvd. 19, 28217 Bremen
www.jetzthier.eu

@jetzt.hier.ueberseequartier

Das Projekt wird gefördert durch die Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport.