Beitrag von Lutz Liffers, Vorstand Kultur Vor Ort e.V., 12.7.2021
Impfkampagne im LICHTHAUS erfolgreich abgeschlossen
Bereits vor 5 Wochen schaute ganz Bremen nach Gröpelingen. Erstmals erprobte das Bremer Impfzentrum etwas Neues. Impfungen ohne Voranmeldung direkt vor Ort in einem Stadtteil. Im Auftrag der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz wurde im LICHTHAUS für eine Woche ein Impfzentrum aufgebaut, die bewährten Teams des DRK, die bereits (neben Johannitern, Maltesern und Arbeitersamaritern) im Impfzentrum an der Bürgerweide tätig sind, übernahmen für fünf Tage den Impfbetrieb. In der vergangenen Woche wurde mit über 4.000 Zweitimpfungen und zusätzlich über 1.000 weiteren Impfungen die Kampagne erfolgreich abgeschlossen. Ein wichtiger Meilenstein in der Bekämpfung der Pandemie in Gröpelingen ist damit geschafft.
Warum eine lokale Impfkampagne für Gröpelingen?
Zunächst einmal waren zum Zeitpunkt der Planung die Infektionsraten in Gröpelingen besonders hoch. Wie immer hielt sich in der Stadt hartnäckig das Vorurteil, dies hänge mit der „Kultur“ und der „Lebensweise“ der „Migranten“ zusammen.
Dabei ist die Sache viel einfacher: In Gröpelingen leben überdurchschnittlich häufig viele Menschen auf engstem Raum in viel zu kleinen Wohnungen oder arbeiten unter Bedingungen, die kaum individuellen Schutz ermöglichen, erst recht kein Homeoffice. Auch sind viele Gröpelinger*innen relativ neu in Deutschland, kennen das Gesundheits- und Sozialsystem noch nicht und haben häufig sprachliche Schwierigkeiten. Vor allem Eingewanderte aus anderen europäischen Staaten wollen zwar häufig Deutsch lernen, ihnen stehen aber als EU Bürger*innen gar keine kostenlosen Integrationskurse zu – und damit ist Spracherwerb neben dem oft beinharten Arbeitsalltag nahezu unmöglich.
Eine von Kultur Vor Ort gemeinsam mit dem DRK initiierte Corona-Teststation eine Woche zuvor mitten im Liegnitzquartier hatte alle diese Aspekte bereits aufgezeigt. „Warum soll ich mich testen lassen? Wenn ich in Quarantäne muss, bin ich arbeitslos“ war eine typische Antwort. Und wie eine Quarantäne mit einer 7-köpfigen Familie in einer 3-Zimmer-Wohnung ohne Garten oder Balkon funktionieren soll, konnte bisher auch noch niemand erklären.
Und auch das gehört zur Wahrheit: Es grassierten und grassieren gefährliche Falschinformationen zum Impfen und diverse Verschwörungstheorien – aber das ist nicht unbedingt typisch für den Stadtteil, zumindest waren die Querdenker-Demos in Bremen nicht vom internationalen Gröpelingen geprägt, sondern von einem bildungsbürgerlich-weißen Milieu.
Prekäre Arbeit, prekäres Wohnen heizen die Pandemie an
Es ist also das Gemisch aus prekären Arbeits- und Lebensbedingungen mit den damit einhergehenden vielen gesundheitlichen Vorbelastungen, sprachlichen Problemen und damit verbundenen Informationsdefiziten sowie der politischen und sozialen Marginalisierung weiter Teile der Bevölkerung, die die Pandemie begünstigt und die Infektionsraten hat hochschnellen lassen.
Besonders betroffen sind neben den Alten und Kranken die jungen Leute: Schulen und Kitas waren teilweise geschlossen, obwohl die Senatorin für Kinder und Bildung versuchte, Schließungen so weit wie möglich zu vermeiden. Die Folgen der Isolation für Kinder und Jugendliche sind tiefgreifend: Angst- und Essstörungen haben überproportional zugenommen und auch unter vermehrter häuslicher Gewalt haben Kinder und Jugendliche in der Pandemie besonders zu leiden.
Der einzige Ausweg aus dieser Situation stellt die Covid Schutzimpfung von möglichst vielen Menschen dar. Nur so können gefährdete Personen vor schwerer Erkrankung geschützt werden und Kinder und Jugendliche wieder ein normales Leben mit Freund*innen und ihren Peers führen.
Ende Dezember begannen in Bremen die Impfungen, zuerst in allen Altenheimen – auch in Gröpelingen. Auch alle über 60jährigen erhielten im Laufe des Frühjahrs einen Brief mit einer Einladung zur Impfung ins Impfzentrum Messehalle.
Zum Glück unterstützten weite Teile der Gröpelinger Ärzteschaft mit hohem Engagement die Impfkampagne. Ab Ostern erhielten sie Impfstoff. Aber bei der in Normalzeiten schon hohen Belastung der Arztpraxen konnte das nicht ausreichen.
Die zusätzliche Impfkampagne des Impfzentrums in Gröpelingen sollte deshalb rasch und möglichst niedrigschwellig möglichst vielen Gröpelinger*innen die Impfung ermöglichen – und sie sollte damit das Vertrauen in staatliche Institutionen fördern und in die öffentliche Gesundheitsfürsorge stärken.
Ein Meilenstein ist erreicht
Entgegen vielen Befürchtungen war der Erfolg enorm: In den 5 Tagen kamen knapp 4.500 Gröpelinger*innen ins LICHTHAUS und ließen sich impfen. Auch Befürchtungen, die Stadtteilbewohner*innen würden die Zweitimpfung nicht ernst nehmen, erwiesen sich als Vorurteil: Knapp 4.100 Zweitimpfungen fanden in der vergangenen Woche im LICHTHAUS statt. Einige absolvierten ihre Zweitimpfung bei einem niedergelassenen Arzt und einige hatten einen anderen Termin mit dem Impfzentrum verabredet.
Zusätzlich bot das Impfzentrum im neuen Impfmobil des DRK für spontan Entschlossene eine Impfung mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson an. Knapp 1.350 Personen nutzen die Chance und wurden mit einem einzigen Pieks bereits vollständig immunisiert, weil dieser Impfstoff keine Zweitimpfung benötigt.
Insgesamt wurden 5.413 Menschen durch diese lokale Kampagne vollständig geimpft, das entspricht etwa 15% der erwachsenen Bevölkerung Gröpelingens. Zusätzlich wurden seit Ostern Hunderte in den Praxen und seit Dezember 2020 Tausende Gröpelinger*innen im Impfzentrum an der Bürgerweide oder durch Mobile Teams in den Alten- und Pflegeheimen geimpft. Zusätzlich auch Mitarbeitende der Jugendarbeit, der Schulen und Kitas, die in Gröpelingen arbeiten, aber nicht dort leben.
Der Erfolg ist eine Gemeinschaftsleistung
Der erfolgreiche Abschluss der Impfkampagne im LICHTHAUS ist ein Meilenstein für die Bekämpfung der Pandemie in Gröpelingen. Dass es ein so großer Erfolg wurde, ist eine Gemeinschaftsleistung vieler Personen und Institutionen. Die Kitas haben zu Beginn den entscheidenden Motor gespielt, um Gröpelinger*innen direkt anzusprechen, um Vertrauen zu werben und Informationen zu verbreiten.
Die im Stadtteil frisch eingesetzten Gesundheitsfachkräfte der Senatorin für Gesundheit haben mit großem Engagement im Vorfeld und bei der Durchführung durch unzählige Gespräche, freundliche Erläuterungen und mehrsprachige Informationen gezeigt, wie in einem internationalen Quartier gesundheitliche Aufklärung flankiert werden kann.
Die Stadtteileinrichtungen, Ortsamt, Beirat, Schulen – sie alle haben informiert und für das Impfen geworben.
Und nicht zuletzt hat das Leitungsteam des Impfzentrums und das Team des DRK rund um Herwig Renkwitz souverän eine gewaltige Aufgabe gemeistert. Täglich waren 30 Verwaltungskräfte für den wichtigen check-in/check-out-Betrieb, 10 Lotsen für den reibungslosen Ablauf, 10 Fachkräfte für das Impfen und 8 Ärzt*innen für die ärztliche Aufklärung eingesetzt.
Sie alle haben mit hohem Engagement unter den improvisierten Bedingungen dem Stadtteil eine wichtige Botschaft übermittelt: Gesundheit ist ein Menschenrecht, das allen gleichermaßen gewährt werden muss und deshalb solcher besonderen Initiativen bedarf.