Klimawandel und Klimaanpassungsstrategien mit Stefan Wittig

Begehung mit dem Klimaanpassungsmanager Bremen Stefan Wittig
(kommunales Klimaanpassungsmanagement, Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft) in der Überseestadt: Folgen des Klimawandels im Quartier, Donnerstag, 10. August, 17 Uhr

Stefan Wittig arbeitet seit einigen Jahren bei der Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft und ist dort für die Klimaanpassung in der Stadt Bremen zuständig. Die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels werden Lebensqualität und Wirtschaft in Bremen und Bremerhaven beeinflussen. Es ist daher unerlässlich, sich an diese Veränderungen anzupassen, um gute Lebensbedingungen in der Region zu erhalten. Aufgrund der vielfältigen und wandelnden Auswirkungen handelt es sich hierbei um eine langfristige, gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Deshalb hat der bremische Senat im April 2018 eine Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels beschlossen. Sie umfasst insgesamt 19 Ziele für die Bereiche „Mensch“, „Umwelt“ und „Gebäude und Infrastrukturen“. Außerdem wurden zehn Schlüsselmaßnahmen für die Stadtgemeinde Bremen und neun für das Land Bremen definiert. Der kommunale Klimaanpassungsmanager berät und unterstützt die Stadt bei der Umsetzung dieser Maßnahmen.

Während einer zweistündigen Begehung der Überseestadt erläuterte Herr Wittig den interessierten Anwohner:innen sein Wissen über Klimawandel und Klimafolgen sowie aktuelle Aktivitäten zur Klimaanpassung der bremischen Behörden.

Die Gruppe startet am Franz-Pieper-Karree. Der Park wird zukünftig so umgestaltet, dass er den Anforderungen der neuen Nachbarschaften und deren Nutzungsbedürfnissen gerecht wird. „Wichtige Maßnahme zur Klimaanpassung an diesem Standort“, so Herr Wittig „ist vor allem ausreichende Beschattung der Spielflächen. Insbesondere für die kleinen Besucher:innen, die hier zukünftig spielen, ist darauf unbedingt zu achten.“ Der Baumbestand direkt an dem kleinen Wasser im Park soll erhalten bleiben. Die Bäume sind bereits gut gewachsen und bilden eine sich selbstkühlende Vegetationsstruktur. Im Zuge der Umbauten wird der Verkehr teilweise beruhigt, die Straße am Park (siehe Bild) wird höchstwahrscheinlich zu einer Fußgängerzone. Die verkehrsberuhigte Straße soll Kindern und Familien einen einfachen und entspannten Zugang zum Park ermöglichen.

 

Rund 17 Teilnehmende starten bei der Begehung am Franz-Pieper-Karre.

 

Europaquartier: Hier kommt die Gruppe an einem Parkhaus vorbei. Eine vertikale Begrünung scheinte vorgesehen. Die Pflanzen wachsen nicht und sehen eher traurig aus. Das kann verschiedene Gründe haben. Da die Überseestadt an vielen Stellen mit sandigem Boden aufgeschüttet wurde, ist der Boden häufig nährstoffarm und kann kein Wasser speichern. Maßnahmen zur vertikalen Begrünung von Gebäuden zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels sind jedoch hilfreich: Die Pflanzen kühlen und verbessern die Luft. So trägt die Begrünung zur einer höheren Aufenthaltsqualität in Städten bei.

Wie reagiert die Bau- und Stadtplanung auf die Herausforderungen des Klimawandels? Diese Fragen stellten sich mit Blick auf die Neubauten entlang der Konsul-Smidt-Straße. Hinsichtlich der dunklen Backsteinfarbe der Gebäude äußert sich Stefan Wittig kritisch. Obwohl sie das Erscheinungsbild des Quartiers widerspiegeln, haben dunkle Oberflächen den Nachteil, dass sie sich stark aufheizen können. Eine Abkühlung in der Nacht wird so erschwert.

Seit neustem gibt es das  Ortsgesetz über die Begrünung von Freiflächen und Flachdachflächen Dieses Gesetz gilt seit 2019 und verpflichtet dazu, nicht genutzte Grundstücksflächen bei Neubauvorhaben oder bedeutenden Umgestaltungen sowie Flachdachflächen bei Neubauten von Gebäuden, Gebäudeteilen, Tiefgaragen und überdachten Zufahrten zu begrünen. Damit die Umsetzung der Begrünung beschleunigt wird, gibt es einige Förderprogramme. Hauseigentümer können Fördergelder für Umbaumaßnahmen für diesen Zweck beantragen. Es können Förderanträge zur Dachbegrünung oder Grauwassernutzung gestellt werden.Die Bremer Umweltberatung berät zu den Förderprogrammen und führt Infoveranstaltungen zu den verschiedenen Themen, wie Regenwasserschutz, Entsiegelung, Solaranlagen usw. durch.

Für Flachdachflächen besteht eine ideale Lösung in der Kombination von Solarenergie und Grünflächen. Sog. Solar-Gründächer schaffen einen Mehrfachnutzen für die Energiewende, die Klimaanpassung, die Ressourcenschonung und die Biodiversität, erläutert Stefan Wittig. Zudem gibt es ein Gründachkataster der Stadt Bremen, das anzeigt, welche Dachflächen sich aufgrund ihrer Neigung für eine Dachbegrünung potenziell eignen.

Die Route führt weiter entlang der Überseepromenade. Die neue und ausgebaute Promenade dient vor allem dem Hochwasserschutz. An einer großen Fläche an der oberen Promenade sind einige Teilnehmenden erstaunt über den stark versiegelten Bereich auf einem Grundstück, rund um ein Bürohaus. Eine Gestaltung mit mehr Grün hätte sicherlich eine höhere Qualität für Arbeitnehmer:innen und die Nachbarschaft gebracht.

Seit 2019 liegt eine Aufgabe des Klimaanpassungsmanagers darin, die Stadtplanung über Klimaanpassungsbedarfe zu informieren und zu beraten. In seiner Funktion als Träger öffentlicher Belange (TÖB) wird er angehört und kann für die Umsetzung notwendiger Klimaanpassungsmaßnahmen plädieren. Der Belange-Katalog des Baugesetzbuchs geht von vielen gleichwertigen und gleichgewichtigen Belangen, bzw. Planungsleitsätzen aus. Welchen Belangen der Vorzug gegeben wird und welche zurückstehen müssen, liegt im Planungsermessen. An solchen stark versiegelten und wenig begrünten Plätzen wären aus Sicht der Klimaanpassung Maßnahmen zur Entsiegelung und Begrünung sowie Verschattung sinnvoll.

 

Platz an der Überseepromenade auf Höhe der Konsul-Smidt-Straße 62.

 

Überseepark – welche Herausforderungen sind für Grünflächen im Klimawandel zu beachten (Hitze, Windkomfort, Durchlüftung, Artenvielfalt, Grünqualitäten)?

Am Eingang des Überseeparks stehen wir am Deich. Hier erklärt uns Stefan Wittig, dass eine Erhöhung der Deiche und Küstenschutzanalgen notwendig ist. Die Anforderung zur Verstärkung aller Küstenschutzanlagen basieren auf den neusten Erkenntnissen des Weltklimarats in einem Bericht von 2019 und betreffen auch die Überseestadt.

Blicken wir auf den Überseepark, sehen wir eine grüne Fläche, die als Freiraum für Kühlung durch Kaltluftentstehung sorgt. Der kühlende Effekt der Wiese ist jedoch nur wirksam, wenn der Rasen grün ist. Bei Austrocknung, beispielsweise aufgrund mangelnder Beschattung oder ineffizienter Bewässerungssysteme (die in der Vergangenheit nicht ausreichend berücksichtigt wurden – Stichwort Grauwassernutzung), verfärbt sich der Rasen grau und braun und verliert dadurch seine Kühlungsfunktion.

Überraschenderweise trägt die Weser als Gewässer kaum zur nächtlichen Abkühlung der Stadträume in der Überseestadt bei, umso wichtiger sind die Grünflächen im Quartier. Wer mehr über diese Zusammenhänge erfahren und die Karten einsehen will, findet auf dieser Seite ein PDF Dokument zur „Klimaanalyse Überseestadt (2021) Detailuntersuchung: Klimaökologische Situation in der Überseestadt Bremens“ www.klimaanpassung.bremen.de/klimainformationen/klimawandel-in-bremen/das-stadtklima-1473 

 

Ein Blick auf diese Karte zeigt, wo die Überseestadt besonders durch Hitze belastet ist.

 

Waller Sand –  Wie können Hochwasserschutz und Freizeit miteinander verbunden werden? Das Konzept der multifunktionalen Flächen am Waller Sand ist sehr gut gelungen. Als die Planung begann, war der Schutz vor Hochwasser besonders wichtig. Der Beirat Walle und viele Menschen aus der Umgebung hatten Bedenken und betonten, dass es auch Plätze für Freizeit und Erholung geben sollte. Diese Bedenken wurden schließlich berücksichtigt. Es entstand ein Strand, der sowohl als Hochwasserschutz dient als auch ein Ort für Freizeit und Sport ist. Der Waller Sand wird auf vielfältige Weise genutzt und trägt zur Qualität des Aufenthalts bei. Allerdings gibt es ein Problem, das die Qualität des Aufenthalts mindert: Es fehlt an Schatten. Es gibt nur wenige Sonnenschirme am großen Strand, die für kleine schattige Bereiche sorgen.

Der informative Spaziergang mit Herrn Wittig hat viele Potentiale und Defizite zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels im Quartier aufgezeigt. Auf der Seite www.klimaanpassung.bremen.de  finden sich umfangreiche Tipps und Informationen rund um das Thema. Wer den kommunalen Klimaanpassungsmanager nochmal persönlich kennenlernen möchte und weitere Fragen zu den Themen hat ist herzlich zu der Veranstaltung  „Zu Tisch! 50 Picknick-Tische für die Überseestadt“ am Samstag, den 26. August von 16 bis 19 Uhr eingeladen. Stefan Wittig lädt euch beim Picknick zu Gesprächen rund um Klimawandel und Anpassungsstrategien ein.

 

Stefan Wittig erklärt die Multifunktionalität des Waller Sands.

Jetzt Hier Quartiersentwicklung ist ein Projekt von Kultur Vor Ort e.V. Es wird gefördert von der Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration. Es ist ein Baustein im Programm „Quartiere im Werden“, um soziale Infrastruktur in Neubaugebieten aufzubauen.