Foto: Tim Lachmann

Benvenuti a casa – Mirco Iannone mit der Trattoria „Made in Italy“

„Willkommen zu Hause“ ist der Wahlspruch der kleinen gemütlichen Trattoria, die Mirko Iannone seit Sommer 2022 an der Ecke Liegnitzstraße-Ortstraße betreibt. Ich treffe den 30jährigen Gründer in seinem kleinen frisch renovierten Lokal und werde so herzlich begrüßt und empfangen, wie man einen altbekannten guten Nachbar willkommen heißt. Es ist 15 Uhr, Mirko hat die einfachen aber gemütlichen Holztische und Stühle auf den kleinen Platz vor seiner Pizzeria aufgebaut und will in die Küche, um alles für die ersten Gäste vorzubereiten. Für ein kleines Interview nimmt er sich dennoch selbstverständlich Zeit. Denn das gehört zu seinem Konzept: Zeit für seine Gäste zu haben.

 

 

Mirko, wie schön es hier geworden ist, du hast viel gearbeitet in den letzten Wochen.

(lacht) Ich habe sehr viel gearbeitet. Wir mussten den ganzen Laden gründlich sanieren, es sah schlimm aus. Aber jetzt gefällt es mir sehr gut …

Foto: Tim Lachmann

 

 

Nicht mehr als 3 Tische haben hier innendrin Platz, du hast eine kleine Küche …

… aber eine große Phantasie. In dieser kleinen Küche kann ich unendlich viele verschiedenen Köstlichkeiten herstellen …

 

 

Und mit den Tischen draußen ist es wirklich ein schöner Ort, an dem man sich gerne aufhält, mitten im urbanen internationalen Leben. Ein schönes kleines Restaurant …

Oh, halt, das ist kein Restaurant. Sondern eine Trattoria.

 

 

Was ist der Unterschied? Warum hast du deine Pizzeria hier mitten im Liegnitzquartier Trattoria genannt?

In der Trattoria trifft sich die Nachbarschaft aus dem Quartier. Hierhin kommt man nicht in feinen Klamotten wie in einem Restaurant, sondern so, wie man sich wohl fühlt. Eine Trattoria ist hundert Meter von zu Hause, da geh ich mal kurz vorbei: „Hei, was gibt’s heute Leckeres?“ Oder ich komme gerade von der Arbeit, ruf einen Kumpel, „komm wir gehen mal eben eine Pizza essen, trinken ein Bier“ … dann kommt der Chef, stellt eine Flasche Likör auf den Tisch … und es gibt noch eine panna cotta und am Ende immer einen caffee. Das ist normal, am Schluss zahlt einer für alle und beim nächsten Mal zahlt ein anderer. So geht das reium, weil man sich in der Trattoria immer wieder trifft. Am Nachbartisch sitzen keine Fremden, sondern Leute aus dem Quartier. Man kennt sich, hält einen kurzen Plausch von Tisch zu Tisch. Die Trattoria ist ein zweites zu Hause. Deshalb steht hier auch überall in meiner Trattoria Benvenuti a casa (Willkommen zu Hause).

Foto: Tim Lachmann

 

Die Trattoria ist also eine Art Geschäftskonzept?

Ja und nein. Für mich steckt darin mehr als ein Konzept. Es ist ein Lebensgefühl, es ist meine Art, wie ich mit Menschen zusammenkommen möchte. Ich koche etwas Feines, mit guten Zutaten und mag es, wenn die Gäste da sind und ich sie bewirten kann. Sie sollen sich zu Hause fühlen, denn meine Trattoria ist auch für mich ein zu Hause.

 

 

Hast Du die Kochideen aus Süditalien, aus Bari mitgebracht?

Aber klar. Ich koche wie ich in Bari kochen gelernt habe. Hier gibt es keine gekauften Tomatensaucen oder fertigen Pizza-Teig. Alles ist selbstgemacht und alle Zutaten müssen gut sein. Es ist eine einfache apulische Küche. Heutzutage wird viel zu fettig, viel zu süß und mit zu viel Chemie gekocht. Fettige Riesenportionen gelten als lecker. Solches Essen zu kochen macht mir keinen Spaß. In meinen Gerichten findest du alles, was in Apulien wächst und was die italienische Küche berühmt gemacht hat: Kichererbsen, Kräuter und Gewürze, Olivenöl und Oliven, Kohl, Paprika, Auberginen, Artischocken, Brokkoli, Kapern und das wichtigste: Tomaten.

Die Tomatensauce ist Grundlage für viele Gerichte, vor allem für meine Pasta, die Nudeln – die in Apulien spezielle Formen haben. Aus Bari kommen die Orecchiette, die „Öhrchen“, die noch von Hand geformt werden. Traditionell sind aber auch Cavatelli, Strozzapreti und Taralli.

Foto: Tim Lachmann

 

 

Bei dir gibt es die klassische Speisekarte einer süditalienischen Trattoria: Pasta, Pizza, Insalate, Dolci  …

Mir ist das wichtigste: Hier sind alle willkommen. Denn Pizza ist geboren aus der Armut. In einigen Trattorias in Bari ist es üblich, dass man erst dann zahlt, wenn man mal wieder Geld hat … oft ein paar Tage später.

Pizza ist ein Gericht für die einfachen Leute – aber sie muss gut zubereitet sein. Ich habe eine Weile in einem Restaurant gearbeitet und dann hat man an seinem freien Tag manchmal keine Lust selbst zu kochen, Ich habs versucht mit Lieferdiensten: Original italienische Pizza oder 100% Italien oder pizza italiano stand auf den Angeboten. Aber dann kommt etwas, was überhaupt nichts zu tun hat mit einer italienischen Pizza. Ich habe dann oft gedacht: Das will ich anders machen.

 

Foto: Tim Lachmann

 

 

Wo hast Du kochen gelernt?  

Meine Mutter hat als Hauswirtschafterin in einer Familie in Bari gearbeitet und ich war als kleiner Junge immer bei ihr und habe zugeschaut. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter jemals eine Tomatensauce gekauft hätte. Sie hat literweise Tomatensauce gemacht, Tomaten gekocht, passiert, gekocht, passiert … Stundenlang. Stundenlang. Ich habe als kleiner Junge oft schlafend danebengelegen.

 

Sie hat Kapern selbst eingelegt, diese kleinen jungen Kapern, die noch ein feines süßliches Aroma haben. Sie hat auch Tomaten unter der Apulischen Sonne selbst getrocknet. Selbst heute noch schickt mir meine Mutter getrocknete Tomaten und eingelegte Kapern … und auf diese Weise kommt die apulische Sonne in meine Gerichte.

 

Meine Mutter hat es geschafft, die gleiche Sauce über sechs Tage lang jeden Tag anders schmecken zu lassen. Immer etwas Besonderes.  Eine einfache Tomatensauce mit guten Kapern und besten Sardellen wird zur köstlichsten Marinada. Mit ein wenig gutem Rindfleisch wird es eine Boscailola.

Foto: Tim Lachmann

Und mit frischen Champignons und einem guten prosciutto cotto eine Contadina.

 

Diese Transformation der Tomatensauce ist für mich so überraschend und schön, wie wir Menschen unsere Gefühle verändern.

 

Ich habe meine Kindheit in der Küche meiner Mutter verbracht, ihr geholfen und mir genau angeschaut, wie sie kocht.

 

Später als ich vierzehn Jahre alt war, habe ich in einer Trattoria angefangen zu arbeiten. Es war anstrengend, ich hatte vor allem Angst vor der riesigen Knetmaschine, in die ich 1000 kg Mehl hineinschütten musste. „Fall da nicht rein“ ermahnte mich der alte Chef jeden Tag „wenn Du da rein fällst, wirst du selbst zu Teig.“ In diesen Jahren habe ich alles gelernt, was man braucht, um in einer Trattoria gut zu kochen.

 

Foto: Tim Lachmann

 

Das klingt nach einer harten Jugend.

Ich hatte eine Jugend wie viele junge Leute in Bari. Ich war nicht gut in der Schule, ich hab mich dort total unfrei gefühlt, ich trieb mich viel mit meinen Kumpels herum. Meine Mutter hatte es bestimmt nicht so leicht mit mir. Als junger Erwachsener hatte ich einen schweren Unfall, ich wäre fast gestorben. Das war die Wende. Ich wollte mein Leben ganz neu beginnen. Und ein Zufall führte mich 2011 nach Deutschland. Ich stieg in den Flieger, meine Mutter sagte „Du schaffst das“. Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukam. Ich war zwanzig Jahre alt und habe alles hinter mich gelassen.

 

Wie das dann so ist: Ich habe zuerst in einem Eiscafé gearbeitet, dann in der Gastronomie, das ist ein hartes Leben. Die Löhne sind sehr schlecht, die Arbeitsbedingungen hart.

 

 

Wie bist Du dann auf die Idee gekommen, dich selbstständig zu machen?

Die Idee hatte ich schon, als ich nach Deutschland kam. Aber ich wusste nicht, wie ich ohne ein eigenes kleines Kapital eine Trattoria hätte aufbauen sollen. Also habe ich erst einmal hart gearbeitet und gespart.

Hier in Bremen habe ich mich von der Agentur für Arbeit beraten lassen, die haben mich sehr unterstützt mit meiner Idee. Ich bekomme von der Agentur einen kleinen Zuschuss über sechs Monate, damit meine Miete gedeckt ist. Und für die Ausstattung und Küche habe ich mit meiner Frau einen Kredit aufgenommen.

 

Das sind alles hohe Risiken und klingt nach Stress und viel Arbeit.

 

Das sehe ich anders. Selbstständigkeit hat nicht nur viele Vorteile, sondern das ist für mich ein Triumph. Ich fühle mich gerne frei. Selbstständigkeit ist Freiheit. Ich meine mit Freiheit nicht, dass ich tun und lassen kann, was ich will. Es gibt Regeln, gerade auch in der Gastronomie in Deutschland … ich habe immer noch keine Schankerlaubnis, obwohl ich alles eingereicht habe, sehr bürokratisch und langsam das alles. Aber egal: Jetzt habe ich meine Trattoria und meine Freiheit. Für mich bedeutet das, die Freiheit zu haben, ein qualitativ hochwertiges Essen zu kochen und nicht den Marktzwängen der Fast-Food-Gesellschaft zu folgen. Ich habe die Freiheit zu entscheiden, wann ich meine Trattoria öffne, wieviel Zeit ich mir für meine Gäste nehme, welchen Stil ich hier pflege. Niemand kann mich antreiben, nur ich selbst. Ich habe die Freiheit, gesunde, gute, selbstgemachte apulische Küche anzubieten.

 

Ich will bei meinen Gästen das Glück erzeugen, dass ich als kleiner Junge hatte in der Küche mit meiner Mutter, wenn es Pasta mit Tomatensauce gab.

 

Das ist heute mein Glück, deshalb bin ich den Schritt in die Selbstständigkeit gegangen.

 

Foto: Tim Lachmann

Text: Lutz Liffers

 

Made in Italy – Trattoria & Pizzeria
Liegnitzstraße 40
28237 Bremen
T. 0421 70914164
https://made-in-italy-trattoria-pizzeria.business.site/
Öffnungszeiten
Samstag 15:00–22:00
Sonntag 16:00–23:00
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Dienstag 15:00–22:00
Mittwoch 15:00–22:00
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Freitag 15:00–22:00
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